Die Vorstellung vom Entstehen in Abhängigkeit (paratantra) kommt der Lebenswirklichkeit sehr nahe. In ihr werden alle dualistischen Konzepte wie eins/viele, innen/außen, Zeit/Raum, Geist/Materie und andere verworfen, die der Geist benutzt, um die Wirklichkeit einzugrenzen, zu zerteilen und zu formen. Die Vorstellung vom Entstehen in Abhängigkeit kann nicht nur helfen, das gewohnheitsmäßige Zersplittern der Realität zu beenden, sondern sie kann uns auch zu einer direkten Wirklichkeitserfahrung befähigen. Dennoch sollten wir sie als Werkzeug und nicht als eigenständige Wirklichkeitsform betrachten.
Paratantra ist das eigentliche Wesen der lebendigen Wirklichkeit – das Fehlen eines zugrunde liegenden Selbsts. Auch ein Dreieck besteht nur deshalb, weil drei Linien in einem bestimmten Verhältnis aufeinander treffen – und so besteht auch kein anderes Ding aus sich selbst heraus. Da sie keine eigenständige Identität besitzen, sagt man von allen Erscheinungen, sie seien leer (sbunya). Damit sind die Erscheinungen aber keineswegs nicht vorhanden; sie sind lediglich leer von einem eigenständigen Selbst, einer bleibenden Wesenhaftigkeit, die unabhängig von anderen Erscheinungen wäre. […]