Es ist ein Gedanke, der sich auf eine Vergangenheit bezieht, die nicht erlebt wird. Mit anderen Worten: Gedanken abstrahieren Zeit vom ewigen Jetzt und bringen damit die Möglichkeit hervor, dass ein Objekt in Zeit und Raum ein anderes Objekt in Zeit und Raum verursacht. Erleben hat aber kein Wissen von einer Sache, die eine andere verursacht, weil sein Erleben nicht in der Zeit ist.
Zeit und Raum sind so grundlegend mit der Art, wie wir die Welt sehen, verbunden, dass selbst wenn Zeit und Raum vollständig zusammenfallen in der Erkenntnis, dass unser Erleben aus dieser dimensionslosen und transparenten Substanz genannt Wissen oder Gewahrsein besteht, danach Gedanken aufkommen und versuchen, zurück zu dem alten Modell zu gehen und es in unser neues Verstehen hineinzuziehen. Es heißt dann: „Da muss eine Ursache für die gegenwärtige Erfahrung sein.“ Und Ursache impliziert Zeit.
„Ein Objekt agiert auf der Basis eines anderen”: Das ist nicht die Art, wie Erleben Erleben erlebt. Stell dir vor, da ist eine Leinwand und ein Film wird gezeigt. Zwei Menschen haben einen Streit. Sie lösen bei sich gegenseitig aus, bestimmte Dinge zu sagen. Der Ehemann löst bei seiner Frau aus, etwas zu sagen, und die Frau löst bei ihrem Ehemann aus, etwas zu sagen. Aus der Perspektive dieser beiden Objekte ist die Ursache für das, was sie sagen oder tun, das, was das andere Objekt sagt oder nicht sagt. Das ist die Perspektive der Person. Aber wie ist es mit der Leinwand? Was ist das Erleben der Leinwand von dem, was geschieht?
Die Leinwand kennt nur sich selbst. Sie kennt keine zwei Menschen. Die beiden Menschen im Film sind nur zwei Menschen aus der Perspektive von einem der Menschen. Mit anderen Worten: Nur eine Person im Film kennt eine andere Person. Die Leinwand kennt keine Person oder ein Objekt. Sie kennt nur sich selbst.
Die Leinwand ist sich der Dualität nicht bewusst. Sie hat kein Bewusstsein von Objekten oder Menschen. Aus einem absoluten Blickwinkel ist sie sich keiner Veränderung bewusst, weil sie sich auf eine Vergangenheit beziehen müsste, um Veränderung wahrzunehmen. Erleben ist zu beschäftigt, jetzt präsent zu sein, als dass es Zeit hätte, sich selbst abzusondern vom Jetzt, auf sich selbst zurück zu schauen und zu sagen, was mein gegenwärtiges Erleben verursacht hat („Es muss aus der Vergangenheit kommen“). Es ist zu beschäftigt, den Augenblick zu genießen, als dass es Zeit hätte, sich selbst vom Leben zu separieren und ein getrenntes Selbst in Zeit und Raum zu erschaffen oder sich vorzustellen.
Es nimmt noch nicht einmal all die Schnappschüsse, weil dort nie mehr als ein Schnappschuss auf einmal gegenwärtig ist. Wo sind all die anderen Schnappschüsse jetzt, die die Gedanken zu einer Geschichte verbinden, die „kontinuierlich existierende Welt“ genannt wird? Wo sind diese Schnappschüsse, die die Gedanken zusammen bringen? Wo sind sie jetzt? Da ist nur der gegenwärtige Schnappschuss. Es ist nur ein Gedanke selbst, der sagt und sich vorstellt, dass dort viele andere Schnappschüsse sind und dann diese vorgestellten Schnappschüsse nimmt und sie zu zusammenfügt zu einer kontinuierlich existierenden Welt.
Ich tue das Beste, was ich kann, mit diesen sehr unbeholfenen Werkzeugen genannt „Worte“. Diese Worte sind dazu gemacht, Dualität auszudrücken. Sie sind nicht dazu gemacht, das auszudrücken, worüber wir jetzt sprechen. Wir nehmen also diese inhärent dualistischen Worte – Modulationen, die Veränderung einschließen –, um zu versuchen, auf die immer gegenwärtige, unveränderliche Realität allen Erlebens hinzuweisen.
Frage dich selbst: Was sagt mein Erleben über sich selbst? Wie nimmt das Erleben Abstand zu sich selbst, dreht sich um, schaut auf sich selbst und sagt: „Das bin ich“, „Ich bin ein Stuhl“, „Ich bin eine Person“, „Ich bin ein Haus“? Kann Erleben das tun? Oder besser: Wie würde es das tun? Nur indem es die Form eines abstrakten Gedankens annimmt. Es ist dieser Gedanke, der sich selbst scheinbar von dem nahtlosen Ganzen separiert.
Eine gedankengemachte Person wird erzeugt innerhalb des Ganzen, scheint zurückzutreten von dem Erleben und darauf zu schauen und zu sagen: „Es besteht aus Stühlen, Tischen, Menschen und Selbsten [eigenständigen Entitäten, d. Übers.]“. Gewahrsein, also Erleben, kann das nicht tun. Die Leinwand kann niemals aus sich selbst heraustreten und auf sich schauen. Sie kann nicht einmal sagen: „Ich bin eine Leinwand“. Gewahrsein weiß nicht, dass es etwas ist, das Gewahrsein genannt wird, weil es nicht in seinem Erleben ist. Es ist zu sehr vollständig im Augenblick, um sich jemals zu erheben und einen einzigen Gedanken über sich selbst zu haben.
Denke darüber nach. Alles, was Gedanken sagen, beschreibt immer, was gerade vergangen ist.
(Rupert schnippt mit den Fingern.) Wenn Gedanken aufsteigen, das zu beschreiben, ist es vorbei. Das Einzige, was Gedanken nicht beschreiben können, ist das Jetzt. Weil sie aufsteigen und das Jetzt, das sie beschreiben – das Objekt –, verschwunden ist.
Gedanken können nichts Wahres über das Erleben sagen. Nichts. Sie beschreiben immer das Nicht-Jetzt.
Erleben weiß noch nicht einmal, dass es etwas genannt „Erleben“ ist. Wir könnten sagen, es ist zu beschäftigt, es selbst zu sein, um sich zu abstrahieren und es „etwas“ zu nennen. Es ist nicht „etwas“. Es ist nicht ein Objekt. Es ist noch nicht einmal Erleben.
Was können wir sagen? Wir können nicht ein Wort darüber sagen. Ganz zu schweigen davon, es eine Welt, eine Person, ein Selbst, ein Ding oder einen Gedanken zu nennen. Sie sind so grobe Symbole – notwendig für das praktische Leben –, wenn sie gemessen werden an der Jetztheit, der Lebendigkeit, dem Hiersein allen Erlebens.
Deshalb machen Menschen Musik, tanzen oder malen. Diese Werkzeuge, diese Ausdrucksmittel bringen viel genauer die Natur des Erlebens zum Ausdruck. Sie benutzen nicht abstrakte Symbole und benötigen nicht den Filter der Gedanken. Es ist nichts falsch an Gedanken – offensichtlich denke und spreche ich häufig. Aber Gedanken können das Erleben niemals wahrhaftig beschreiben.
Erleben kann nicht in ein Konzept gesteckt werden. Man kann es nicht wirklich mit Namen versehen. Deshalb bleiben wir entweder still oder nehmen irgendeine kreative Aktivität auf.
Sogar zu sagen, dass Gewahrsein unveränderlich ist, bedeutet, eine Dorne zu benutzen, um eine Dorne zu entfernen. Denn mit der Aussage, dass es unveränderlich ist, beziehen wir uns auf etwas, das sich verändert. Es kann nicht etwas geben, das unveränderlich ist, ohne dass dort zuvor etwas ist, das sich verändert. Aber aus der Sicht der Leinwand, aus der Sicht des Erlebens, verändert es sich nicht. Es ist zu beschäftigt, jetzt zu sein, als dass es Veränderungen wahrnehmen könnte und eine Vergangenheit konzeptualisieren könnte, wo die Dinge anders waren.
Das Ergebnis hiervon ist, dass es uns völlig im Jetzt eingetaucht sein lässt. Ohne einen Impuls, es zu vermeiden, zu verändern oder zu benennen – außer, wenn es aus praktischen Gründen erforderlich ist. Wenn wir etwas benennen müssen aus praktischen Gründen, ist die Fähigkeit dazu da. Wir können es „Abendessen“, „Mittagessen“, „Auto“ oder „Person“ nennen, wenn wir es für praktische Zwecke brauchen. Aber sobald sie nicht länger benötigt werden, legen wir diese Konzepte wieder beiseite. Wir beleidigen das Erleben nicht, indem wir es auf eine Reihe von Konzepten und Objekten reduzieren. Das ist die Blasphemie. Die wahre Blasphemie ist, das Erleben zu einer Ansammlung von Objekten zu reduzieren.
Wir verlieren nicht die Fähigkeit, das Erleben zu konzeptualisieren, aber wir benutzen diese Fähigkeit nicht länger, um ein imaginiertes Selbst zu verteidigen oder wichtig zu machen.
Quelle: Rupert Spira „Thought is Never Now“, eigene Transkription und Übersetzung
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