Ingo Zacharias

Freiheit des Jetzt

Vom Gedanken-Ich zur Präsenz-Identität

Page 10 of 13

Thich Nhat Hanh: Jede Handlung ist ihr eigenes Subjekt

Die Vorstellung vom Entstehen in Abhängigkeit (paratantra) kommt der Lebenswirklichkeit sehr nahe. In ihr werden alle dualistischen Konzepte wie eins/viele, innen/außen, Zeit/Raum, Geist/Materie und andere verworfen, die der Geist benutzt, um die Wirklichkeit einzugrenzen, zu zerteilen und zu formen. Die Vorstellung vom Entstehen in Abhängigkeit kann nicht nur helfen, das gewohnheitsmäßige Zersplittern der Realität zu beenden, sondern sie kann uns auch zu einer direkten Wirklichkeitserfahrung befähigen. Dennoch sollten wir sie als Werkzeug und nicht als eigenständige Wirklichkeitsform betrachten.

Paratantra ist das eigentliche Wesen der lebendigen Wirklichkeit – das Fehlen eines zugrunde liegenden Selbsts. Auch ein Dreieck besteht nur deshalb, weil drei Linien in einem bestimmten Verhältnis aufeinander treffen – und so besteht auch kein anderes Ding aus sich selbst heraus. Da sie keine eigenständige Identität besitzen, sagt man von allen Erscheinungen, sie seien leer (sbunya). Damit sind die Erscheinungen aber keineswegs nicht vorhanden; sie sind lediglich leer von einem eigenständigen Selbst, einer bleibenden Wesenhaftigkeit, die unabhängig von anderen Erscheinungen wäre. […]

Weiterlesen

Jiddu Krishnamurti: Das Leben beginnt, wo das Denken endet

Wenn du durch die kleine Stadt wanderst, mit ihrer einzigen Straße und ihren vielen Läden – dem Bäckerladen, dem Fotogeschäft, dem Buchladen, dem offenen Restaurant –, unter der Brücke durch, vorbei an dem Schneider, über eine andere Brücke, vorbei an der Sägemühle, dann den Wald betrittst und weiterhin neben dem Fluss entlang gehst und auf das alles mit völlig wachen Augen und Sinnen schaust, aber ohne einen einzigen Gedanken im Kopf – dann weißt du, was es heißt, nicht abgesondert zu sein.

Du folgst dem Fluss eine oder zwei Meilen weit – wiederum ohne dass ein einziger Gedanke aufflattert –, schaust auf das dahinjagende Wasser, lauscht seinem Rauschen, siehst die Färbung des graugrünen Bergstroms, schaust auf die Bäume und durch die Zweige hindurch auf den blauen Himmel und die grünen Blätter – wiederum ohne einen einzigen Gedanken, ohne ein einziges Wort –, dann wirst du wissen, was es bedeutet, keinen Raum zwischen sich und dem Grashalm zu haben.

Weiterlesen

Adyashanti: Nur Gewahrsein bleibt

Nur wenn du deine Aufmerksamkeit auf das Gewahrsein selbst lenkst, ist dort nichts dahinter. Das ist mit ‚zur Quelle zurückkehren’ gemeint. Es bedeutet, dass nichts danach kommt. Da ist nichts dahinter.

Bei einem Gedanken ist immer etwas dahinter. Da ist immer das Gewahrsein des Gedankens. Also ist Gewahrsein dahinter. Bei einem Gefühl ist immer etwas dahinter. Bei den konditionierten Mustern ist immer etwas dahinter. Da ist immer Gewahrsein, das hinter allem ist, was wahrnehmbar ist; über das man nachdenken kann. Da ist immer etwas dahinter: nämlich Gewahrsein. Geist.

Weiterlesen

Doris Zölls: Das eine Leben

Sagt ein Kind zum ersten Mal zu sich „ich“, erfasst es sich zum ersten Mal selbst. Es bezieht das Wort nur auf sich und erlebt sich dadurch im Gegensatz zum Außen. Erst jetzt erkennt das Kind sich im Spiegel. Vorher läuft es noch hinter den Spiegel, und will schauen, wer dahinter steht und wer durch ihn hinausschaut. In dem Moment, wo es „ich“ sagt, erlebt es: Das bin ja ich selbst.

Bevor Kinder zu sich „ich“ sagen, malen sie Bilder mit vielen unterschiedlichen Kreisen. In dem Moment jedoch, in dem Kinder zu sich “ich” sagen können, malen Sie in diese Kreise einen Punkt hinein. Es ist irgendetwas geschehen, es gibt auf einmal einen Bezugspunkt, von dem aus sie sich in Beziehung zur Welt setzen können.

Weiterlesen

Stephen Batchelor: Eine Matrix von Bedingungen (Teil 2)

„Ungeborene Leerheit hat abgelassen von den Extremen des Seins und des Nichtseins. Daher ist sie sowohl die Mitte selbst als auch der Mittlere Weg. Leere ist der Pfad, auf welchem der in seiner Mitte ruhende Mensch geht.“ – Tsongkhapa

Befangenheit, das ständige und übermäßige Bewusstsein meiner selbst, steht in meinem Leben ganz im Vordergrund und ist zugleich doch eine höchst unsichere Sache. Wenn ich bei der Meditation mein Ich zu finden versuche, ist es so, als wollte ich meinen eigenen Schatten fangen. Ich greife danach, aber da ist nichts.

Weiterlesen

Seite 10 von 13



© 2018 Freiheit des Jetzt | Ingo Zacharias | Schröderstr. 8 | 69120 Heidelberg | Tel. 0163-9109750 | post@ingo-zacharias.de

Impressum & Datenschutzerklärung